Immer auch mit AAL-Produkten planen
Interview mit Eberhard Bürgel
Die tägliche Körperhygiene gehört zu den Dingen, die jeder lange eigenverantwortlich und selbstbestimmt leisten möchte. Dazu muss das Badezimmer möglichst barrierefrei sein. Darum wissen, ist die eine Sache. Danach handeln, eine andere. Wann also muss man an eine entsprechende Vorbereitung denken? Und was bedeutet diese für das Badezimmer? Eventuell einen Abschied vom Wohlfühlen? Zu diesen und anderen Aspekten stand uns anlässlich des Demografie-Symposiums von ZVSHK und KfW Ende Oktober in Berlin mit Eberhard Bürgel, Geschäftsführer des gleichnamigen SHK-Betriebes in Nienburg, ein Fachmann Rede und Antwort.
Aktion Barrierefreies Bad: Herr Bürgel, wie überzeugen Sie Bauherren im mittleren Alter davon, sich über eine sichere, weitgehend barrierefreie Badgestaltung Gedanken zu machen?
Eberhard Bürgel: Eine Badrenovierung steht etwa alle 20 Jahre an, da ist es schon sinnvoll darüber nachzudenken, ob man sich jetzt schon ein wenig Komfort gönnt und damit für die späteren Jahre vorsorgt. Damit meine ich eine Funktionalität, die bereits jetzt genutzt werden und sich in ein schönes Baddesign gut einfügen kann. Auch Bauherren im mittleren Alter sollten an das Komfortbad für Generationen denken. Manchmal muss der Kunde dafür vorsichtig sensibilisiert werden.
Schrecken Kennzeichnungen wie „seniorengerecht“ und „barrierefrei“ immer noch viele ab? Oder hat ein Umdenken stattgefunden?
Bürgel: Wenn man so um die 50 ist, darf das Bad der eigenen Eltern diese Bezeichnungen haben, das eigene Bad nicht, da man ja noch lange nicht so weit ist. Hier passt einfach der Begriff „Das Komfortbad für Generationen“ besser.
Obwohl der Bedarf groß ist, liegt das Angebot an barrierefrei gestalteten Wohnungen und Wohnhäusern deutlich darunter. Haben Sie dafür eine Erklärung? Und lässt sich eine Wohnung mit dem Attribut „barrierefrei“ heute nicht schon besser vermieten bzw. verkaufen als eine nicht barrierefrei gestaltete?
Bürgel: Das Bewusstsein ändert sich da gerade ein wenig, dennoch ist die Angst groß, durch das Attribut „barrierefrei“ stigmatisiert zu werden.
Barrierefreie Bäder früher und heute – was hat sich geändert?
Bürgel: Früher hatten barrierefreie Bäder den Charme eines Bades im Pflegeheim. Heute ist es möglich, durch innovative und designorientierte Produkte Funktionalität und schönes Aussehen unter einen Hut zu bringen und diese Bäder damit wesentlich schöner und mit mehr Schick auszustatten. Da kann sich jeder im Bad wohlfühlen.
Wie sieht eine barrierefreie Lösung in der Praxis aus technischer Sicht aus?
Bürgel: Der Raumbedarf muss sichergestellt werden und bei allen Einrichtungsgegenständen sollte daran gedacht werden, später weitere Accessoires zur Hilfe anbringen zu können. Auch die Möglichkeit der späteren Installation von AAL-Produkten* sollte nicht vergessen werden, denn oft sind es nur ein Leerrohr oder ein Kabel unter der Fliese, die später für die Technologie eingesetzt werden können.
Welche gestalterischen Anforderungen stellen Sie an ein barrierefreies Badezimmer?
Bürgel: Es muss funktional sein und dem Designwunsch des Kunden entsprechen. Denn diesem muss das Bad ja nicht nur gefallen, er soll sich auch wohlfühlen und sich jeden Morgen über sein schönes Bad freuen können.
An wen sollte sich ein Bauherr wenden, wenn er sein Badezimmer barrierefrei bauen möchte?
Bürgel: Der Weg geht zuerst zum Fachinstallateur seines Vertrauens, denn dort findet er nicht nur das notwendige technische Fachwissen, sondern auch die Beratungskompetenz und das Einfühlungsvermögen für alle Wünsche.
Um ein Badezimmer barrierefrei zu bauen, müssen nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer möglichen Förderung eine Reihe von DIN-Normen und VDI-Richtlinien beachtet werden. Wie groß muss das Vorwissen eines Laien sein? Oder reicht es, sich auf die Profis zu verlassen, zum Beispiel, weil Barrierefreiheit heute schon Stand der Technik ist?
Bürgel: Der Laie kann die Vielfalt von Vorschriften weder erfassen, noch beurteilen, ob sie für seinen Fall zutreffen. Der Fachmann mit entsprechender Weiterbildung im Bereich Badplanung und barrierefreies Bad ist sehr gut auf alle Fragen vorbereitet. Er kennt auch die Ansprechpartner, wenn er selbst noch Rat benötigt.
Für den Bauherrn ist es schwierig, dauerhaft stabile und ergonomisch intelligent gestaltete Produkte zu erkennen. Gibt es da Entscheidungshilfen?
Bürgel: Der Bauherr sollte sich auch bei diesen Fragen auf den Fachinstallateur verlassen, da er die bewährten Produkte kennt und auch auf entsprechende Erfahrungen seiner Vorlieferanten zurückgreifen kann.
Worin sehen Sie als Praktiker die wichtigsten Fortschritte in Sachen Sicherheit und Komfort für den barrierefreien Badbereich?
Bürgel: Dass sich die Branche in verstärktem Maße dieses Marktes annimmt und designorientierte Produkte auch mit technischer Unterstützung schafft, die in Handhabung und Komfort ständig verbessert werden. Dabei sollte ein besonderes Augenmerk auf die AAL-Technik gesetzt werden, die zwar noch am Beginn ihrer Entwicklungsgeschichte steht, aber zunehmend an Bedeutung gewinnen wird, um Komfort und Sicherheit in den eigenen vier Wänden zu erhöhen.
Oftmals sind es ja eher unspektakuläre Dinge, die im Alltag die größten Vorteile bringen? Haben Sie einen „barrierefreien Bad-Tipp“ parat?
Bürgel: Ein Haltegriff an der richtigen Stelle schafft Sicherheit und Komfort. Aber auch eine bodenebene Duschanlage ist der Renner unter den Maßnahmen.
Zum Schluss noch eine Frage zur Qualitätssicherung bei der Auftragsvergabe. Experten weisen darauf hin, dass sich ungenaue Bau- und Leistungsbeschreibungen als großes Problem erweisen. Oft werden Qualitätsstandards vom Bauherrn als selbstverständlich vorausgesetzt, ohne dass sie eindeutig vertraglich vereinbart wurden. Beispiel: Man bestellt eine bodenebene Dusche. Beim Bau zeigt sich, dass die dafür notwendige flache Entwässerung technisch nicht herstellbar ist. Es entsteht ein Rechtsstreit mit Folgekosten. Wie kann man dem entgegenwirken? Was raten Sie potenziellen Bauherren?
Bürgel: Auch genaue und fachlich präzise Leistungsbeschreibungen führen nicht unbedingt zum Verständnis der Baumaßnahme beim Endverbraucher. Es geht um das gegenseitige Vertrauen, und ein fachlich gut ausgebildeter Fachbetrieb, der Erfahrungen im Komplett-Badumbau hat, wird die heiklen Punkte vorher ansprechen und dem Endverbraucher diese im Detail erklären. Hier ist Fingerspitzengefühl und Empathie von Anfang an gefragt. Denn Vertrauen und Seriosität bilden die Grundlage für den Auftrag. Dies spürt der Kunde, und er wird in der Regel nicht nur nach dem Preis schauen, sondern auch auf sein Bauchgefühl vertrauen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bürgel.
* Anmerkung der Redaktion: Ambient Assisted Living (AAL) steht für technische Produkte und intelligente Lösungen, die Menschen in vielen Lebenssituationen unterstützen. Diese Systeme erleichtern zum Beispiel die Kommunikation mit Mitbewohnern und Nachbarn sowie die Inanspruchnahme angeschlossener Dienstleister. Im Badezimmer bieten AAL-Technologien wie die Notruf-Taste, der intelligente Fußboden zur Erkennung von Stürzen oder der Sensor, der Alarm schlägt, wenn die Badewanne überläuft, vor allem mehr Sicherheit.
Foto Eberhard Bürgel: © Frank Peterschröder