Grundsätze für den cleveren Einsatz von Farbe
Farbplanung fürs Bad
(dh/pumb/red-abb) Farbe und Kontrast können im Badezimmer eine Menge bewirken. Hierzu zählen nicht nur Stimmungen und Emotionen oder die Wahrnehmung von Raumgrößen. Sie können beispielsweise auch Sicherheit und Orientierung für sehbehinderte oder demenziell erkrankte Menschen geben. Die Farbexpertin Dr. Hildegard Kalthegener zeigt in einem Gastbeitrag einige Grundsätze für den cleveren Einsatz von Farbe auf.
Dieser erschien kürzlich auf unserer Partner-Webseite Pop up my Bathroom. Weil diese sehr interessanten Informationen unseres Erachtens für jeden wichtige Erkenntnisse liefert, veröffentlichen wir nachfolgend den Original-Beitrag, auch wenn er sich eigentlich an den Sanitärprofi richtet. Da wir die Beispielfotos zur Verdeutlichung der jeweiligen Aussagen für unverzichtbar halten, übernahmen wir auch diese. Wir weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass der Fokus auf dem Farbkontext liegt und es sich ausnahmsweise nicht um barrierefreie Bäder handelt.
Gastbeitrag von Dr. Hildegard Kalthegener zur Farbplanung fürs Bad:
Die Farbwahl für die „Nasszelle“ richtet sich nach verschiedenen Kriterien. Ganz wichtig ist die Raumgröße: also Breite, Länge und Höhe des Raumes. Die Wandformate sind Elemente der Raumhülle, in der sich die Einrichtung und das Leben abspielt. Die Wände bieten sich als Farbträger an. Ehe wir aber dazu kommen, vorab zunächst einige Gedanken zur Gestaltung von Boden und Decke.
Ist der Raum niedrig, bietet sich die Decke als hellste Fläche an.
In anderen Regionen wie Skandinavien und den Benelux-Ländern, aber auch im gesamten englischsprachigen Raum sind farbige Decken deutlich üblicher als bei uns. Ebenso in Wohnzeitschriften und in TV-bzw. Netflix-Serien. Zuhause bei uns allerdings, haben sie im Allgemeinen keine besonders gute Akzeptanz. Für Kunden mit ausgeprägtem Wunsch nach farbiger Individualität gilt aber: auch Farbe über Kopf könnte eine Einsatzmöglichkeit sein. Luftiges Hellblau kann den Raum in Kombination mit sandfarbener Fliese und weißem Anstrich an den Wänden nach oben hin öffnen.
Traditionell gilt die Decke in der hierzulande gängigen Praxis unter Gestaltern als „die vergessene fünfte Wand“. Für alles andere würde es einen sehr aufgeschlossenen Kunden brauchen, der willens und mutig genug ist, neue Wege zu beschreiten. Aber es gibt ihn, genau diesen kreativen Denker, der mehr will, als in der Wanne liegen und unter die weiße Decke starren! In einem hohen Altbau oder auch in einem Ausstellungsraum mit versetzten Deckenhöhen wäre es eine denkbare Möglichkeit, vielleicht über Kopf mit Farbe neue gestalterische Akzente zu setzen.
Farbe unter den Füßen
ist immer eine Überlegung wert. Dunkelgrau wie Schiefer oder Farben wie Holz sind seit über einem Jahrzehnt die Klassiker. Aber auch eine stärker farbige Fliese am Boden ist gut denkbar, wenn es an den Wänden ruhiger zugeht. Unbunt, also eine Kombi aus mehreren Graunuancen, ist gefühlt schon fast ewig beliebt. Ebenso eignen sich die „Warm Neutrals“ wie Sand, Mocca- und Vanille-Farben als Basis, die durch ein knalliges Highlight ergänzt werden können. Akzentfarben aber bitte nicht wie mit der Gießkanne verteilen, denn Willkür ist ein schlechter Ratgeber, wenn es um cleveres, hochwertiges und langlebiges Design geht. Zuviel Farbe wirkt naiv. Verschiedene Töne aus einer oder maximal zwei Farbwelten sind hingegen eine sichere Sache.
Wie ist der Schnitt des Badezimmers?
Rechteckig, quadratisch oder L-förmig? Öffnet es sich vielleicht als langgezogenes Schlauchzimmer? In diesem Fall streichen Sie die schmale Wand gegenüber der Tür in einer aktiven Farbe, z.B. mit warmem Eisenoxid, Koralle oder Campari-Rot. Diese Farbe kommt dem ins Bad tretenden Nutzer aktiv entgegen und macht den etwaigen Schlauch kürzer. Die begleitenden Wände rechts und links von der dominanten sowie die gegenüberliegende Wandfläche lassen Sie in hellen Tönen fast transparent erscheinen und somit quasi wie eine Erweiterung raumöffnend wirken.
In einem quadratischen oder auch rechteckigen Grundriss bietet es sich an, die Hauptschauwand hinter Waschbecken und Spiegel, oberhalb des Fliesenspiegels für einen Akzent zu nutzen. Dazu gesellen sich gern schwarze Armaturen. Alternativ könnte man die Wand oberhalb der Wanne mit einer raumhohen bad-tauglichen Motivtapete versehen. Aus dem Wandbild kann man dann eine besonders attraktive Farbe ausdeuten und genau bemustern, um damit eine oder sogar weitere Wände zu streichen, je nachdem, ob es sich um eine kräftige oder eine zurückhaltende Nuance handelt.
Gibt es vielleicht eine Nische? Auch diese eignet sich gut für eine Absetzfarbe. Es gibt zahlreiche Optionen und Sie wissen ja selbst: jedes Bad ist – zumindest für den Nutzer – ein Einzelfall. Es gibt in der Farbplanung kein eindeutiges „richtig oder falsch“, aber meist sehr wohl ein „eher besser oder eher schlechter“. Und je öfter Sie sich mit farbigen Einzelfällen beschäftigt haben, desto mehr Erfahrung bekommen Sie und desto leichter und schneller können Sie mit geschicktem Einsatz von Farbe überzeugen.
Es ist immer eine sichere Sache, nur eine Wand abzusetzen und den Rest unbunt zu halten. Aber welche Wand sollte es sein?
In Wohn- und Schlafzimmer ist es einfach: die Wand hinter dem Sofa bzw. hinter dem Betthaupt bietet sich traditionell für eine starke Absetzfarbe an. Im Bad ist es leider meist nicht ganz so einfach.
Die dunkelste, weil verschattete Wand ist immer die, in der das Fenster sitzt. Blaue und grüne Farben, gleich ob Petrol, British Racing Green oder karibisches Türkis, wirken hier noch kühler und dunkler als sie ohnehin schon sind; meist angenehm ruhig, manchmal aber auch ein wenig melancholisch. Darauf bzw. davor machen sich gut weiße Absetzelemente und warmes helles Holz, damit eine ausgewogene Harmonie entsteht.
Die hellste Wand ist von der Belichtungssituation her stets die dem Fenster gegenüberliegende Fläche. Warme Nuancen aus dem Quadranten des Farbenkreises zwischen Gelb und Rot strahlen hier besonders hell und sonnig. Wir können dieser Beschreibung entsprechend mit Farbe dem natürlichen Lichteinfall im Raum folgen, ihn stärker betonen. Für viele Architekten ist das „best practice“, eine beliebte Methode. Andere gehen aber genau gegenteilig vor und versuchen, mit Farbe einen ungünstigen Lichteinfall zu kompensieren.
Ist die stets verschattete Fensterwand groß und dominant, bietet es sich geradezu an, diese für einen helle warme Farbe zu nutzen, damit der Gesamteindruck im Raum freundlicher wird und einladend ausschaut. Oder gibt es eine Wand, die immer viel Sonnenlicht hat, Hitze reflektiert und das Bad gefühlt zum Gewächshaus machen kann? Eben fertig geduscht und schon naht der nächste Schweißausbruch. Kennen Sie das? 50 % der Architekten würden hier mit einer kühlen Farbe kompensieren, damit ein Bad eben frisch und sauber statt schwül und stickig wirkt.
Lassen Sie es uns noch einmal wiederholen: es gibt nicht 100 % richtig und falsch in der Gestaltung. Aber diese beiden diametral gegenüber liegenden Gestaltungsstrategien, nämlich entweder mit Farbe den natürlichen Lichteinfall zu unterstreichen oder im Gegenteil zu versuchen, ungünstige Lichtverhältnisse zu kompensieren, sollten Sie kennen. Das hilft Ihnen von Fall zu Fall entscheiden zu können, welche Lösung für welche Baustelle gerade richtig ist.
Licht und Schatten: auch auf die Himmelsrichtung kommt es an.
Erneut taucht eine ähnliche Frage auf, die sich gerade schon einmal gestellt hat: Betonen oder kompensieren? Farbgestalter neigen im Innenraum eher zur Strategie mit Farbe komplementär zu arbeiten als den natürlichen Lichteinfall im Sinne von größtmöglicher Klarheit noch zu betonen. Ein etwas dunkles Bad, sei es durch Nordlicht oder durch ein zu kleines bzw. nicht vorhandenes Fenster verursacht, wird ansehnlicher, wenn es ein helles warmes Farbenkleid bekommt. Im sonnigen Badezimmer mit großen Südfenstern haben Sie hingegen die gesamte Palette zur Auswahl und können beruhigt auch auf Wünsche nach coolem, farbig-frischen Wind eingehen, ohne Sorge, dass die Kunden im neuen Bad frösteln müssen.
Eine Wand absetzen oder komplett eintauchen in die Farbe?
Wenn die Kundschaft eine ausgeprägte Lieblingsfarbe hat, können wir auch über einen relativ neuen Ansatz nachdenken. Alle vier Wände werden dafür in ein und derselben Farbe gehalten, vielleicht sogar inklusive Fliesen. Eine farbige Klammer fasst alle Materialien und Oberflächen zusammen, die sich aus Möbeln, Anstrich, Fliesen (und sogar Sanitärobjekten?) ergeben. Alles sieht aus wie in dieselbe Farbe getaucht, von der der Nutzer komplett umgeben wird.
Bei den auch in Deutschland erfolgreichen englischen Farbherstellern wie Little Greene und Farrow & Ball gibt es hin und wieder Beispiele, in denen nicht nur alle vier Wände, sondern sogar die Decke im gleichen kräftigen Farbton gestrichen werden. Und dieses neue Baby hat auch einen Namen: „Colour Drenching“ wird dieser aus der Mode ins Interieur überschwappende Trend genannt. Wörtlich übersetzt heißt Colour Drenching „mit Farbe durchtränken“. Gemeint ist, sich komplett von allen Seiten in eine attraktive Lieblingsfarbe einhüllen zu lassen. Es entstehen für unsere Augen eindrucksvolle, aber sehr ungewohnte Farbräume, zu denen trendorientierte schwarze und goldene Armaturen besser passen als chromglänzende.
Unser Tipp speziell fürs Bad: Dunkel ist modern, – ja. Aber wenn alles rundherum uni in einer starken bzw. dunklen Farbe gehalten ist, – die Sanitärobjekte davor doch lieber hell absetzen! Neue Trends sind auch nicht jedermanns Sache: Raumhülle unbunt und zurückhaltend mit farbig lackierten Objekten oder schön nuancierter Keramik und attraktivem Holz sind nach wie vor gute Kombinationen, die Sicherheit vermitteln.
Die Raumgröße ist für die Umsetzung der neueren Trends gar nicht mehr so entscheidend. Auch Gäste-WC und ein eher kleines Familienbad können in Farbe getaucht werden bzw. eine abgesetzte Wand bekommen. Im Bad verbringen wir deutlich weniger Zeit als im Wohnzimmer, deshalb sieht man sich hier an seiner Lieblingsfarbe nicht so schnell satt. Vielen Leuten ist es heute wichtiger, einen ganz besonderen, wenn auch kleinen Raum zu bekommen, als dass man versucht, mit klinisch-weißem Anstrich ein paar Quadratzentimeter mehr an gefühlter Raumgröße zu gewinnen, dabei aber die Chance für Stimmung verschenkt.
Wie fängt man denn nun eigentlich an?
Jetzt haben Sie viel gelesen und fragen sich vielleicht, wie man in der Praxis durchstartet. Für eine Neuplanung beginnen Sie nach dem Vorgespräch mit der Auswahl des Produktes mit der kleinsten Farbpalette. Stricken Sie bloß nicht zuerst ein kompliziertes Kleid für die Raumhülle, und finden dann keine passenden Möbel, keine Armaturen und keine schöne Sanitärkeramik dazu. Die Fliesen und Armaturen wählen Sie vor der Anstrichfarbe. Denken Sie auch an Farbe über dem Kopf und unter den Füßen. Hier ist die Auswahl an Nuancen deutlich geringer als bei den abertausenden Wandfarben, aus denen Sie zu guter Letzt auswählen können.
Im Altbau bzw. im Falle einer Teilsanierung schauen Sie als erstes, was bleibt, was geht gar nicht mehr und muss daher raus? Bemustern Sie zunächst exakt, was bleibt. Ist es vielleicht ein farbiger Terrazzoboden? Sind farbige Einsprengsel enthalten, identifizieren Sie diese Farbfamilie, nutzen sie für eine abgesetzte Wand und stellen eine gute Palette aus verwandten Nuancen zusammen. So wirkt die Raumhülle nicht einfarbig aber immer noch wie aus einem Guss.
Ist der Bodenbelag eher unbunt, haben Sie eine freiere Hand bezüglich der weiteren Farbwahl. Zu Grau passt manchmal auch Pink! Geht es um ein Ausstellungsbad für Ihren eigenen Showroom? Legen Sie nach Raumhülle und Einrichtung als letzte kleinere Deko und Textilien fest, und zwar eher sparsam, aber farblich gut abgestimmt auf die dominanten Elemente im Raum. Gerade bei Textilien können Sie mutig sein, denn diese können Sie je nach Temperatur und Jahreszeit passend wechseln.